Li Heng und Zhang QiWei

»Im fernen Westen«

30. September 2010 - 12. November 2010 / MO. BIS FR. 8 - 17 UHR

Künstler-Duo

Li Heng liefert in seiner Malerei ein Lehrstück über chinesische Philosophie und eine Schule des Sehens. Seine Bilder zeigen Gräser, dicht an dicht die Fläche füllend. Oft sind es monochrome Flächen, Ansichten ohne Horizont, tiefschwarz, glühend rot, expressiv violett. Für europäische Betrachter wirken sie leicht wie Landschaftsschilderungen mit wogenden Flächen, über denen romantisch Nebel und Dunst aufsteigen. Doch nicht um Abbildung und Illusion geht es dem Künstler dabei, sondern um die Meditation über Leben und Welt, um die Schönheit. Das Gras - Element in der Philosophie von Laotse - steht für den jahreszeitlichen Zyklus des Wachsens und Vergehens, für das Schicksal des Menschen und seine Bestimmung, nach vielen Lebenszyklen in das Nirwana eingehen zu können.

Dass gemalte Halme auf manchen Bildern wie Schriftzeichen wirken, ist kein Zufall. Der Künstler erhielt schon als Kind Unterricht in klassischer Kalligraphie. Die Struktur der „Graskalligraphie“ - eine der fünf Hauptkategorien - kommt dem abstrakten Gestus nahe. Wenn man so will, macht Li Heng im fernen Westen die uralte asiatische „Graskalligraphie“ zum Medium für seine künstlerischen Reflexionen. In seinem persönlichen west-östlichen Diskurs finden sich aktuelle Bezüge, die durchaus auch als Zeitkritik gedeutet werden können. Da steht zum Beispiel ein feuerroter Plastikstuhl wie ein Störfall aus der billigen Konsumwelt in der endlosen Weite des Grases. Oder ein Würfel - wie aus Gras gepresst, mit harten exakten Kanten - wirft den Schatten des Technischen auf die Natur.

Als Student an der Kunstakademie Nürnberg antwortete Li zunächst mit konzeptuellen, hochabstrakten Zahlenbildern auf die überbordende Vielfalt der aktuellen europäischen Kunstszene. In seinen jüngsten Arbeiten mit feinsten Blütenformationen, Tannennadeln, ahnt man Anklänge an geometrische Abstraktionen, Ornamentales oder Op-Art - auch das ein europäisch-chinesischer Dialog.

 

Zhang Qiwei malt Porträts, die nicht nur Menschen darstellen, sondern auch etwas über ihre Lebensumstände erzählen: Wenn über Gesichter mit geschlossenen Augen bunte Lichtreflexe huschen, dann ahnt man, dieses „Bunte Leben“ hat etwas mit den Zumutungen der Konsum- und Neonwelten zu tun. So wie er Passanten in grau-trist gemaltem Straßenumfeld zeigt, wirken sie wie unfreiwillig sich selbst überlassen - die modische junge Frau ebenso wie der alte Lastenträger. Und wenn ein weibliches Rückenporträt den Blick des Betrachters in einen undefinierbaren dunklen Bildhintergrund lenkt, ahnt man, was der Titel „dunkle Zeiten“ meint. Grellbunte Lego-Steine, die durch den Bildraum schweben, sind kein Widerspruch dazu.

Der junge Künstler, der 2001 nach Deutschland kam, ist ein aufmerksamer Beobachter. Das macht ihn nicht nur zum souveränen Porträtisten, sondern auch zu einer Art künstlerischen Kommentator. Er verfolge sehr aufmerksam, was zu Hause, in seiner Heimatstadt Shanghai geschieht, sagt Zhang, ohne dabei ein politischer Grübler zu sein. Aber er scheint dort reichlich Anstöße für freie und hin und wieder schier parodistische Bildfindungen zu finden. So hängt er einen Turner ans Reck, eine Art Maschinenmenschen, den nicht nur starre Kleidungsstücke am Aufschwung hindern, sondern auch die Legosteine am Boden, auf denen sein Fuß feststeckt. Oder er interpretiert, so eine der jüngsten Arbeiten, voller bizarrer Anspielungen Freizeitidylle als eine Art Gefängnishof. Überdimensionale Versatzstücke aus der Fun-Welt, Akteure, die bis zum Knie im Wasser stecken, Zuschauer, die von außerhalb zusehen:
Man geht nicht falsch in der Vermutung, dass die rätselhafte Szenerie, realistisch gemalt mit Pop-Elementen und teilweise abstrakter Farbgestik, satirisch-kritisches Potential birgt. Auf jeden Fall dokumentiert sie ein malerisches Potential, für das der junge Künstler bereits viel Anerkennung erhalten hat; unter anderem ein Stipendium der Karl-Hofer-Gesellschaft.

 

LI HENG

  • 1979 geboren in Urumqi Xinjiang, China
  • 1985 Beginn der Ausbildung in Kalligraphie
  • 1996 - 1998 Besuch der angeschlossenen Mittelschule der zentralen Akademie der Bildenden Künste in Peking
  • 1999 - 2000 Studium der Malerei am I. E. Repin-Institut für Malerei, Plastik und Architektur in St. Petersburg
  • 2000 - 2001 Mitarbeiter am Performance Zentrum der China Central Television (CCTV)in Peking
  • 2002 - 2004 Tätigkeit als freischaffender Maler in München
  • 2004 - 2009 Kunststudium an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bei Prof.Ralph Fleck und Prof. Ottmar Hörl
  • 2009 Meisterschüler bei Prof. Ottmar Hörl

 

ZHANG QIWEI

  • 1979 geboren in Shanghai, China
  • 1998 - 2000 Studium Bildende Kunst an der Kunstakademie Shanghai
  • 2001 - 2003 Studium der Freien Kunst an der Hochschule für Künste Bremen bei Prof.Karin Kneffel.
  • Seit 2005 Studium der Freien Kunst an der Kunstakademie Münster bei Prof. Mechtild Frisch, Prof. Christine Rusche und Prof. Klaus Merkel
  • 2007 Mitgestaltung der Skulptur projekte Münster 07
  • 2010 Meisterschüler von Prof. Klaus Merkel
  • 2010 Atelier Stipendium, „artist-in-residence“ in Berlin, Karl-Hofer-Gesellschaft
  • 2010 Kunstprojekte - Wandmalerei, bei der Expo 2010 in Shanghai